Vom Wert des Lebens

Was ist ein Menschenleben wert? Ethisch gesehen ist das nicht messbar. Und in der Realität? Da liegt der Wert zwischen sechsstelligen Summen für eine aufwändige Heilbehandlung und ca. 20 Cent für eine Patrone mit dem Kaliber 9mm. Sie finden letzteres zu zynisch? Das glaube ich gerne, aber in vielen Teilen unseres Planeten ist das gelebte Realität. Zum Beispiel auch in Nigeria, wo Sister Joyce Ezeugo versucht den Menschen zu helfen, die zwischen Waffengewalt und bitterer Armut zerrieben werden. Als Ärztin und Ordensschwester veranstaltet sie Free Clinics und operiert in ihrer Freizeit mit einem Team von Freiwilligen mittellose Frauen – sie ist Gynäkologin. Zusätzlich unterhält sie ein Prophylaxeprogramm gegen die Müttersterblichkeit, die in Nigeria am höchsten ist in der ganzen Welt. Mit nur 5 Euro pro Frau hat sie hierbei einen unglaublichen Erfolg und die Operationen kosten im Schnitt 250 Euro pro Frau. Sie darf die Klinik dafür nutzen, muss aber für alle Verbrauchsmaterialien aufkommen. Dabei unterstützt sie unser Verein „Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“. Soviel noch einmal zum Wert eines Menschenlebens.

Vor dem Hintergrund der allgemeinen Verzweiflung der hungernden und leidenden Menschen sind Aktionen wie eine Free Clinic ziemlich gefährlich. Sie verteilt auch Lebensmittel und das weckt heftige Begehrlichkeiten. Ende Dezember 2024 wurden bei einer Verteilaktion, mit der sie nichts zu tun hatte, über 100 Menschen tot getreten. Das kam sogar in unseren Nachrichten. Sister Joyce ist kein verträumter Gutmensch – sie ist in einem Slum aufgewachsen und kennt die Realität. Bei ihren öffentlichen Auftritten bekommt sie Schutz von einer Gruppe junger Männer, denen man nachts nicht begegnen wollte. Und tagsüber lieber auch nicht. Aber offensichtlich haben sie Respekt vor dieser großen Frau, die trotz aller Hindernisse und Bedrohungen an ihrer Nächstenliebe fest hält. Ja, sie hat auch schon in die Mündung eines Revolvers geschaut und ihre Habseligkeiten abgeliefert. Aber es gibt etwas für sie, das größer ist als diese Angst.

Sister Joyce war schon öfter in Dossenheim und einige haben sie getroffen. Sie kann Menschen gewinnen und auch beeindrucken. Ich weiss nicht, wie es anderen geht – ich jedenfalls fühle mich klein neben ihr.

Michael Huber

Der Vorstand des Vereins hat daher bei seiner letzten Sitzung am 21.01.2025 weitere 5.000 € zur Verfügung gestellt, damit weitere mittellose Frauen eine dringende Operation erhalten können. Sister Joyce reagierte sofort und hat bereits ab nächster Woche die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen um neben ihrer offiziellen Arbeit diese Frauen operieren zu können.